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Übersetzer in
der Geschichte

Die Tafeln von Ebla

Die frühesten Übersetzer in der Geschichte kennen wir nicht. Historischen Nachweise für die Tätigkeit von Übersetzern lassen sich dennoch auf ca. 2500 v. Chr. datieren, nämlich in Form von Tontafeln mit zweisprachigen Vokabellisten in Sumerisch und Eblaitisch (Eblaitisch ist eine ausgestorbene semitische Sprache, die nach der antiken Stadt Ebla in Syrien, in der die Schreibtafeln gefunden wurden, benannt wurde). Das bekannteste Beispiel solcher mehrsprachigen Inschriften ist wahrscheinlich der Stein von Rosette, der eine im Jahr 196 v. Chr. erlassene Verordnung in drei Schriften darstellt: in altägyptischen Hieroglyphen, in demotischer (ägyptischer) und altgriechischer Schrift. Die Hieroglyphen wurden 1822 von Jean-François Champollion entschlüsselt, was letztendlich zu unserem gegenwärtigen Verständnis der antiken ägyptischen Kultur führte. Der früheste namentlich bekannte Übersetzer in der Geschichte der westlichen Welt ist vermutlich Lucius Livius Andronicus (ca. 284 – 205 v. Chr.). Er war ein Dichter und Dramatiker, der griechische Werke (einschließlich Homers Odyssey) ins Lateinische übersetzte und als der Begründer der lateinischen Literatur angesehen wird. Die meisten gebildeten Römer sprachen jedoch fließend Griechisch, so dass der Bedarf an schriftlichen Übersetzungen ins Lateinische relativ gering war. Der wichtigste römische Übersetzer vom Griechischen ins Lateinische war Cicero (D.P Lockwood, 1918), dessen Übersetzungen eher darauf abzielten, seine Fachkenntnisse zu unter Beweis zu stellen als der römischen Öffentlichkeit die griechische Literatur zugänglich zu machen. Cicero war einer der ersten, der auf eine „freie“ oder „Sinn-für-Sinn˝-Übersetzung hinwies (im Gegensatz zur Wort-für-Wort- oder wörtlichen Übersetzung) als er meinte: „Ich glaube nicht, dass ich sie [die Worte] dem Leser wie Münzen auszählen, sondern sie gleichsam nach Gewicht bezahlen sollte.“

Übersetzungen der Bibel ins Deutsche

Martin Luther (1483-1546) ist der bei weitem bekannteste Übersetzer der Bibel ins Deutsche, aber keinesweg der einzige. Das Neue Testament wurde um 820 im Kloster von Fulda von der lateinischen Vulgata ins Althochdeutsche übersetzt, und Notker der Deutsche übersetzte um das Jahr 1000 Teile der Bibel im Kloster von St. Gallen (in der heutigen Schweiz). Zum Ende des 14. Jahrhunderts lagen vollständige deutsche Übersetzungen des Neuen Testaments (Augsburger Bibel, 1350) und des Alten Testaments (Wenzel Bibel, 1389-1400) vor. Es gab auch andere vorlutherische deutsche Bibeln, aber Luther war der erste, der direkt aus den griechischen und hebräischen Quellen übersetzte; er leistete einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des Hochdeutschen als einheitliche nationale Sprache. Luther zog für seine Übersetzung der Bibel Experten in Griechisch, Hebräisch und Latein hinzu. Er war davon überzeugt, dass Bibelübersetzer philosophisches und theologischen Wissen haben sollten, gab sich jedoch auch große Mühe, seine Übersetzungen an ein Laienpublikum zu richten – teils tat er dies, indem er Verbal- statt Nominalphrasen verwendete. Eine verbale Ausdrucksform (die heutzutage im Englischen öfter vorkommt als im Deutschen) wirkt oft lebhafter und direkter als Nominalphrasen.

Huldrych Zwingli (1484-1531) war ein Zeitgenosse von Martin Luther und eine führende Persönlichkeit bei der Schweizer Reformation. Er gründete eine Lateinschule in Zürich, in der er zusammen mit seinem Freund Leo Jud unterrichtete. Unter Beteiligung aller Geistlichen in Zürich und Verwendung von bereits verfügbaren Teilen der Lutherbibel schufen sie die Froschauer Bibel, die im Jahr 1531 veröffentlicht wurde – ungefähr drei Jahre vor der Lutherbibel.

Übersetzungen der Bibel ins Englische

Es gibt mehrere Übersetzungen von Teilen der Bibel ins Altenglische. Dazu gehören u.a. die von Beda dem Ehrwürdigen und Aldhelm im 7. Jahrhundert, die Wessex Evangelien um ca. 990 und die ersten sechs Bücher des Alten Testaments (Hexateuch), die unter Anleitung des Abbot Ælfric of Eynsham (ca. 955 – ca. 1010) übersetzt wurden.

John Wyclif (1320-1384) übersetzte die Vulgata (Lateinische Bibel) im Jahr 1382 ins Mittelenglische. Er lebte im 14. Jahrhundert, war Gelehrter und Theologe sowie ein dissidenter Katholik. Wie Martin Luther befürwortete auch er die Idee, die Bibel in die Landessprache zu übersetzen, und seine recht wörtliche Übersetzung war im 15. Jahrhundert in England weit verbreitet. Er wurde im Jahr 1377 von Papst Gregor XI offiziell verdammt, griff jedoch das Papsttum und dessen Hierarchie weiterhin mit seinen Schriften an, bis er eines Tages beim Lesen der Messe einen Schlaganfall erlitt. Er wurde im Jahr 1415 vom Konzil von Konstanz rückwirkend exkommuniziert, und seine Leiche wurde später exhumiert und auf Anordnung von Papst Martin V. verbrannt.

William Tyndale (1494-1536) hat die Bibel als erster aus griechischen und hebräischen Quellen ins Englische übersetzt und wurde von Erasmus und Martin Luther beeinflusst, die ebenfalls der Meinung waren, dass Übersetzungen von griechischen und hebräischen Texten wichtig waren. Tyndale spielte eine wichtige Rolle bei der protestantischen Reformation, und seine Übersetzung wurde als Herausforderung für die römisch-katholische Kirche angesehen. In 1536 wurde er der Ketzerei für schuldig befunden, hingerichtet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Doch zwei Jahre später bewilligte König Heinrich VII die Tyndale Bibel, welche die Reformation in der englischsprachigen Welt weiter unterstützte und eine solide Basis für die King James Bibel darstellte.

Berühmte deutsche Übersetzer in der Geschichte

Zu den deutschen Übersetzern und Sprachwissenschaftlern, die für ihre Errungenschaften auf anderen Gebieten besser bekannt sind, zählen Wilhelm von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) ist als Schriftsteller, Staatsmann und Wissenschaftler wohlbekannt. Er wurde in Frankfurt geboren und lernte als Kind Latein, Griechisch, Französisch, Italienisch, Englisch und Hebräisch. Er studierte in Leipzig und Straßburg Jura, wo er sich mit Johann Gottfried Herder anfreundete, der Goethes Interesse an Shakespeare anfachte. Goethe schrieb Die Leiden des jungen Werther in 1774, wodurch er sofort literarische Berühmtheit erlangte, was wiederum eine Einstellung beim Hof des Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach zur Folge hatte. Goethe interessierte sich für Anatomie, Geologie, Botanik, Meteorologie, Farbenlehre, Religion, Philosophie, Politik und Linguistik. Aber er war auch ein erfolgreicher Übersetzer, hauptsächlich aus dem Französischen, Englischen und Griechischen, einschließlich von Werken von Voltaire, Shakespeare und Homer.

Wilhelm von Humboldt (1767-1835) war ein preußischer Philosoph, Diplomat, Bildungsreformer und Sprachwissenschaftler. Er hatte darüber hinaus enge intellektuelle und persönliche Beziehungen zu Goethe und Schiller. Zusammen mit Friedrich Schleiermacher gründete er im Jahr 1810 die Berliner Universität (jetzt Humboldt-Universität zu Berlin), deren Grundlage das Konzept einer ganzheitlichen Kombination von Forschung und Lehre war. Er diente darüber hinaus der preußischen Regierung als Diplomat in Rom und Wien. Doch sein vielleicht einflussreichstes Werk war im Bereich der Sprachwissenschaft. Er lernte mehrere Sprachen, darunter Griechisch, Sanskrit, Aztekisch und Kawi, und leistete mit den Aufzeichnungen über seine Nachforschungen Pionierarbeit in der baskischen Sprache. Er initiierte den Bereich der komparativen Sprachwissenschaft und entwickelte das Konzept, dass die Funktion von Sprache nicht nur darin besteht, Ideen und Information zu kommunizieren, sondern auch als „bildendes Organ des Gedankens“ wirkt. Dieses Konzept entwickelte sich später zur Sapir-Whorf-Hypothese und der Idee der linguistischen Relativität. Wilhelm von Humboldt übersetzte Pindars Olympische Oden und Aeschylus Agamemnon, wobei er in der Einführung zur letztgenannten Übersetzung einen neuen Ansatz zum Problem des Übersetzens formulierte, der erst später von modernen Theoretikern aufgegriffen wurde.

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